Dienstag, 11. November 2008

Helmut Krausser: Kartongeschichte

Ein kleines Märchen von Helmut Krausser. Ich finde es außerordentlich gelungen. Eine postmoderne Liebesgeschichte, die versucht, alles Überflüssige zu entfernen. Und doch bleibt ein wenig Schmalzigkeit zurück. Kleine Anleihen an die fabelhafte Amelie sind zu spüren, was mich etwas abschreckt. Aber Krausser hält die Balance zwischen Kitsch und Lakonie so ausgezeichnet, dass ich hier endlich mal wieder ein ganz wunderbares Buch gelesen habe.

Samstag, 18. Oktober 2008

Harm G. Schröter: Geschichte Skandinaviens

Harm Schröters Geschichte Skandinaviens ist ein mutiges Buch. Auf 122 winzig kleinen Seiten versucht er die Geschichte des gesamten Kulturraums Skandinavien abzudecken. Dass dabei so einiges auf der Strecke bleiben muss, ist selbstevident. Die Könige und Reformen rauschen da nur so an einem vorbei. Schröter setzt natürlich durchaus Schwerpunkte und lässt auch die verschiedenen Kulturen der skandinavischen Länder in ihrem jeweils eigenen Licht erscheinen. Dennoch hätte er sich evtl. doch mehr auf gröbere Leitlinien einlassen sollen - zugunsten eines runderen Leseerlebnisses. In dem wissenschaftlichen Bemühen, zumindest die Basics erwähnt haben zu wollen, lässt er nicht genug Platz für das Erlebnis dieses Kulturraums. So sind die meisten Daten und Namen schon wieder aus dem Gedächtnis verschwunden, ohne einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, obwohl sie doch größere Teile des Textes beansprucht haben.

Diesen Mängeln zum Trotz ist "Geschichte Skandinaviens" als Einführung ein lesenswertes Buch, vor allem in Ermangelung einer besseren Alternative. Denn das Buch ist unterhaltsam und klug geschrieben und man spürt das tiefe Wissen des Autors um das behandelte Thema.

Montag, 13. Oktober 2008

Sabine Rückert: Tote haben keine Lobby

Ein spannender Blick in die Welt der Dunkelfelder und der Gerichtsmedizin. Sabine Rückert nimmt sich hier eines kriminalpolitischen Themas an, von dem ich bisher noch überhaupt nichts wusste. Insofern kann man nur von gutem Journalismus sprechen, denn die Aufmerksamkeit der stupiden Masse (mir) auf brisante Themen zu lenken ist ja nun die Königsdisziplin in diesem Metier.

Das Schema etwas reißerische Fallbeispiele mit Interviews und Zitaten aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu mischen funktioniert recht gut, obwohl alle drei dieser Textarten auf die Dauer etwas ermüdend wirken. Dies lässt sich dem ganzen Buch vorhalten: Das Thema reichte meiner Meinung nach nicht unbedingt, um die Seiten zu füllen. Es wirkt teilweise repititiv. Gegen Ende hin zieht es sich etwas, da die Thesen nun schon ausführlich erläuert worden sind, Rückert aber immer noch eine Ehrenrunde zieht. Das Ende hingegen bildet einen gelungenen Abschluss und entlohnt für vieles.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Das Gilgamesch-Epos

Der erste Mythos. Die ewigen Fragen werden hier schon gestellt, mit Gilgamesch betritt ein ewiger Held die Bühne, der bis heute noch als Archetyp existiert. Toll, dass man sowas noch lesen kann. Berührend.

Samstag, 2. August 2008

Jakob Hein: Herr Jensen steigt aus

Ein schmales Büchlein über einen der Außenseiter unserer Gesellschaft. Herr Jensen wird nicht gebraucht - und beschließt, auszusteigen aus dem, was unsere Gesellschaft ausmacht.

Was durchaus ein gelungenes Psychogramm hätte werden können - einige Ansätze zeigt das Buch durchaus - ist leider ein nichtssagendes Büchlein geworden. Das fängt an mit dem unangenehmen ständigen Betonen der Anredeform des Protagonisten (seit Herrn Lehmann eigentlich verbrannt), zieht sich dann allerdings durch die mit Platitüden gespickten 135 Seiten. Hein konzentriert sich auf kleine Beobachtungen des Alltags, die ihm aber leider nicht so spannend oder skurril geraten sind, dass der Leser daran seine Freude hätte. Nach 50, 60 Seiten merkt man, dass das Buch einfach so weitergehen wird. Und das ist dann ein schwerer Schlag.

Letztlich sollte ein Autor (zumal, wenn er nicht von der Schriftstellerei leben muss) sich bei seinem Buch auch immer fragen: Ist es ein Beitrag? Werden die Leser mit Freude und Gewinn ihre Zeit mit der Lektüre des Buches verbringen? Hier ist das, jedenfalls bei mir, nicht der Fall gewesen.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Gert Ledig: Die Stalinorgel

Ein unfassbarer Kriegsbericht. In kargen, abgestorbenen Worten erzählt, wahllos sterben Protagonisten und Plotstränge, nichts und niemand überlebt. Ein gewaltiges Buch.

Martin Suter: Der große Weynfeldt

Ein wunderbares Buch, ein typischer Suter. Im Gegensatz zum enttäuschenden "Teufel von Mailand" ist Suter hier wieder voll in Form. Er verzichtet allerdings auf seine Neurologie-Marotte (zumindest steht so etwas nicht im Vordergrund, wenn sich auch bei einer der Beteiligten so etwas andeutet), was dem Buch aber gut bekommt.

Die Geschichte über den letzten Spross einer Industriellen-Familie, dessen altes Blut Begehrlichkeiten weckt, ist spannend, unterhaltsam, aber auch lehrreich in gleich mehrfacher Hinsicht. Sogar über schweizer Künstler kann man noch etwas lernen.

Bernhard Schlink: Selbs Betrug

Ein tadellos geschriebener Krimi. Schlinks geschliffene Sprache gehört sicher zu den angenehmsten Stimmen zumindest der deutschen Krimi-Literatur.

Der Plot war spannend, aber mal wieder beschäftigte Schlink sich mit einem der "deutschen" Themen, hier also dem deutschen Herbst. Ob es auch mal eine Nummer kleiner ginge? Na, warum auch.

Einziges Manko war die etwas unangenehme Romanze zwischen dem 70jährigen Protagonisten und der hübschen Mittzwanzigerin. Man fragt sich, wie das die alten Männer im Roman immer anstellen.

Sonntag, 6. Juli 2008

Andrea Maria Schenkel: Tannöd

Mit etwas Verspätung ist dieser berühmte Roman nun auch mir in die Hände gefallen. Das Buch war ja viel in der Presse, erst als Entdeckung des Jahres 2007, dann durch den Plagiatsprozess, den die Autorin allerdings gewonnen hat.

Das Buch ist sehr, sehr schmal. Grade einmal ca. 125 Seiten, die noch nicht einmal voll ausgeschöpft wurden. Aber mehr ist nicht nötig, um diese Geschichte zu erzählen. Mehr hätte auch nicht zum Stil der Erzählung gepasst.

Das Buch ist sicherlich düster, dunkel, ein böse funkelnder kleiner Schatz in der deutschen Krimilandschaft. Es ist vor allem kein Krimi in dem eigentlichen Sinn. Zwar geht es los mit einem Mord und endet in einer Aufklärung. Stilistisch ist es allerdings hermetisch, eigen, den üblichen Krimitraditionen nicht wirklich zugänglich. Es orientiert sich in gewisser Weise an den Reality-Formaten unserer Zeit, durch die anachronistische Sprache und Zeitversetzung wird damit allerdings ein ungwöhnlicher Effekt erzielt.

Einzig das Ende enttäuscht etwas. Ich als Leser hätte mir gewünscht, dass die Geschichte etwas im Vagen bleibt. Ein Gruselmärchen aus den Wäldern sollte nie zu sehr ausgeleuchtet und erklärt werden, dadurch bleibt dann die Stimmung etwas auf der Strecke.

Dennoch, ein tolles Buch.

Montag, 23. Juni 2008

Sjöwall, Maj/Wahlöö, Per: Der Mann, der sich in Luft auflöste

Ein Kommissar Beck - Krimi.

Nachdem ich ja Fan der Fernsehserie bin, die im ZDF läuft und wohl auf Motiven der Bücherserie beruht, wie man so sagt, habe ich jetzt doch auch mal einen Band der berühmten Buchreihe aus den 70ern gelesen. Es ist leider der zweite Band, der erste war grade aus. Schade, man will ja immer von Beginn an lesen.

Das Buch ist ein schweigsamer, schmaler Krimi. Eine Reise nach Budapest, ein verschwundener Mann, eine Ermittlung. Alkohol, ratlses Umhergehen, dann nimmt Beck Witterung auf, folgt der Spur emotions- und mitleidlos zu ihrem Ende und gießt sich einen Whiskey ein.

Ein Krimi Noir, letztlich, oder ein Schweden-Krimi, wenn man so will. Die Sprache bleibt unentschieden, es müssen seltsame Leute sein, die dort wohnen, da oben, in Schweden, aber Boote und das Wasser, das lieben sie. Zumindest Sjöwall und Wahlöö.

Sonntag, 8. Juni 2008

Gerd Postel: Doktorspiele

Die ganze Sache ist ja mittlerweile vollkommen veraltet, kalter Kaffee, Schnee von gestern. Und trotzdem interessant. Unterhaltsam schildert Postel seine sog. Köpenikiaden im deutschen Psychatriewesen. Eine Biographie die mehr "Untiefen" einer Gesellschaft offen legt, als es so manchner postmoderner Roman vermag.

Samstag, 17. Mai 2008

Kyrl Bonfiglioli: After you with the Pistol

Es gilt das vorher gesagte. Hier wagt sich Bonfiglioli plotmäßig wirklich weit hinaus, dieser ist in der Agentenstory, die sich hier entspinnt, so verschachtelt, dass ich unsicher bin, ob wenigstens der Autor wirklich weiß, was genau geschieht. Das ist letztlich für die Leseempfehlung recht egal, streckt aber zumindest das Ende etwas.

Kyril Bonfiglioli: Don´t point that thing at me

Wie die meisten deutschen Leser bin ich auf Bonfiglioli durch die wunderbare Haffmanns-Ausgabe des Krimi-Meisterwerkes Das große Schnurrbart-Geheimnis des selben Autors gekommen. Schnell begreift man allerdings, das Bonfiglioli ein Mann für die Original-Lektüre ist.

Chronologisch also mit diesem Werk hier angefangen - es hat nicht enttäuscht. Der Wortwitz, der Snobismus, die britishness, die Anarchie - es ist alles wie erwartet. Es lässt sich über diesen großen Autoren, der leider nur so wenige Bücher veröffentlicht hat, wirklich kaum etwas sagen, das die Perfektion seiner Romane adequat wiedergibt. Den Leser erwartet wirklich ein Leseerlebnis der Spitzenklasse. Unfassbar dekadent, amüsant, und zum Ende hin nimmt das Buch auch noch Fahrt und Spannung auf, so dass ein richtiger Thriller daraus wird.

Glatte eins!

Dienstag, 6. Mai 2008

Lawrence Lessig: Freie Kultur

Obwohl eigentlich Fachbuch, die ich hier nicht angebe, ist dieses Buch gleichzeitig auch unterhaltsam genug, um als Lektüre durchzugehen, und ich habe es ja auch in der Küche oder der Bahn gelesen und nicht in der Bibliothek.

Lessigs Buch ist mittlerweile fast schon wieder etwas alt (2006 in Deutschland erschienen). Er geht ausführlich auf den Eldrich-Prozess ein, den er vor dem US Supreme Court verlor. Weiter entwickelt er Vorschläge zur Behebung der von ihm angeprangerten Probleme im Urheberrecht, die heutzutage nicht mehr zwangsläufig neu klingen: Steuerfinanziertes Filesharing etc. Besonders luzide ist der Vortrag zum Thema der Beschränkung des Urheberrechts.

Insgesamt natürlich ein sehr empfehlenswertes Buch, gewissermaßen ein Muss, und auch die deutsche Übersetzung gefällt, von einigen begrifflichen Schwächen abgesehen.

Sonntag, 4. Mai 2008

Terry Pratchett: Thief of time

Unterhaltsamer Fantasy-Roman, solide und lustige Unterhaltung mit der Pratchett-typischen britischen Stimmlage erzählt. Aus dem Thema Zeit hätte man evtl. doch ein wenig mehr herausholen können, das hat Pratchett leider verpasst. Insgesamt eine nette Reiselektüre, man muss niemandem davon abraten, es zu lesen, eine richtige Empfehlung ist es aber auch nicht.

Samstag, 19. April 2008

Sabine Rückert: Unrecht im Namen des Volkes

Bedrückendes Buch, das tief hinab taucht in die pathologischen Zustände des Menschen und noch tiefer hinab in die pathologischen Zustände der Justiz. Hier wird ein wahres Wort verloren darüber, wie es so ist, dass unser objektives Rechtssystem dann doch nur eine Ansammlung von sehr subjektiv handelnden Menschen ist, die Fehler machen.

Geschrieben mit schnörkellosem, trockenem Ton, etwas anderes wäre der Sache auch nicht angemessen gewesen. Rückerts Stil ist der Journalismus anzusehen, schnell geht der Blick über die Zeilen, sachlich und punktgenau werden die Themenschwerpunkte gesetzt.

Ich hätte mir ja manchmal ein wenig mehr Einblick in den Kopf dieser Menschen gewünscht, ihn ihr Leben, so wie dies zu Beginn des Buches dargestellt wird. Dafür allerdings ist das Buch zu sehr Tatsachenbericht, was andererseits vielleicht auch die einzig darstellbare Form für dieses Thema ist, wenn man nicht Capote mit Nachnamen heißt.

Lesenswert!

Montag, 14. April 2008

Martin Suter Business class, neue Geschichten

Witzig! Einsichtsvoll! Angenehm!

Marin Suter: Business Class

Witzig! Einsichtsvoll! Angenehm!

Martin Suter: Huber spannt aus

Witzig! Einsichtsvoll! Angenehm!

Montag, 7. Januar 2008

Martin Suter: Der Teufel von Mailand

Preisverdaechtig, wie durchsichtig und vorhersehbar der Plot in diesem Buch war. Suter bietet ansonsten wieder seine alten Tricks auf: Natur, Neurologie, Crime. Die Schilderung der Hauptperson Sonia blieb leider hohl und unglaubwuerdig, der Plot wirkte konstruiert, insofern konnten die o.g. Staerken des Autors da nicht viel rausholen.
Das einzig wirklich erwaehnenswert Gute an diesem Buch waren die Schilderungen der Talumgebung. Das muss auch Suter gemerkt haben, da er dieses Pferd leider auch etwas zu Tode reitet.

Summa summarum das schlechteste Buch von M.S.