Mittwoch, 25. April 2007

Martin Suter: Business Class

Dieser kleine Band enthält – wieder einmal – Geschichten aus dem Leben gestresster Top-/Medium- und Hilfsmanager. Wie auch die anderen Anekdotensammlungen zu diesem Thema sind auch diese Produkt der Kolumnentätigkeit Suters. Dementsprechend stellen die kleinen Geschichten auch eine Art Endverwertung dar. Mir drängte sich dabei eine Frage auf, die schon länger in mir gärt: Können solche Zeitungskolumnen, lustig, wie sie auch sein mögen, ein ganzes Buch tragen? Werden sie nicht mit der Zeit etwas fad, wenn man den Leserhythmus eines Buches zugrunde legt, die Geschichten also hintereinander weg liest, statt sie als kleine Appetithäppchen im trockenen Zeitungsdschungel zu entdecken?
Und wieder einmal will ich mir diese Frage nicht beantworten.
Tatsächlich sind die Geschichten wirklich sämtlich von gleich bleibender, guter Qualität. Lustig, nachdenklich, absurd, kaum eine, die diese Kriterien nicht erfüllen würde. Und so ist das Buch auch geeignet als kleine Coffetable-Alternative, als lustiges Geschenk für den BWL-er Freund, aber tatsächlich auch einfach zum gemütlichen Durchlesen im ICE, oder zum Mitschleppen in der S-Bahn. In diesem Fall also: ein richtiger Allrounder, aufgrund dieser besonderen schweizer Unaufdringlichkeit Suters überfällt einen hier nicht diese Pointenmüdigkeit, die es bei anderen derartigen Anthologien zu beweinen gibt. Daher bleibt es hier bei einer befriedigten Analyse, kein Grund in diesem Fall, in Grundsätzliches zu verfallen.

Martin Suter: Ein perfekter Freund

Der perfekte Freund eines Mannes, der nach einer Midlife-Crisis ohne Gedächtnis aufwacht, muss schon ein besonderer Mensch sein.

Thema dieses Buches ist die Freundschaft, sind die Beziehungen, die wir mit anderen Menschen knüpfen – und, es wäre sonst kein Suter-Buch, Gedächtnisverlust und das Erlebnis, als ein anderer wieder aufzuwachen, ohne Erinnerung an ein Selbst, das einem fremd erscheint.
Der Plot dieses Buches ist eleganter und weniger vorhersehbar gesponnen als jener der „dunklen Seite des Mondes“. Das mag auch an der ganzen Anlage des Buches liegen, mir kommt es allerdings auch so vor, als hätte der Autor hier mehr Sorgfalt auf das Spinnen des Plots verwandt. Letztlich, ließe sich sicherlich auch anführen, ist diese Plot-Anlage auch gar nicht so wichtig, schließlich nutzt Suter, wie jeder gute Kriminalautor, die spannende Krimi-Geschichte auch nur als Plattform für die ihn eigentlich interessierenden Fragen.
Umso wichtiger, sage ich, dass diese Plattform so sorgfältig und passgenau gearbeitet ist, dass sie als Bühne keinerlei Stolperfallen enthält, die vom eigentlichen Thema ablenken.
Meiner bescheidenen Meinung nach ist Suter all das in diesem Buch sehr gut gelungen. Man bleibt dran, an den Nachforschungen und Ermittlungen des gedächtnislosen Journalisten Fabio Rossi.
Sprachlich ist dieses Buch ein absoluter Hochgenuss. Mir fällt kaum ein deutschsprachiger (lebender) Autor ein, der dermaßen klar, prägnant und elegant schreibt wir Suter. Kein Zufall, dass dies ein wirklich häufig geäußerter Gedanke zu seinen Büchern ist. Es ist wirklich fantastisch, mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit Suter hier seine Geschichte zu Papier bringt. Hatte ich Dürrenmatt im Zusammenhang mit Suter schon erwähnt? Ja, hatte ich, hier also noch mal der Hinweis, auch wenn dieser Hinweis noch so klischeebehaftet (Schweizer!) klingen mag.
Der geneigte Leser resümiert: Sprache toll, Plot gut, und ansonsten? Auch ansonsten bleibt das Buch nichts schuldig. Das Personal ist interessant, die Fragestellungen des Buches ebenfalls spannend. Dass Suter hier wieder einmal eine Persönlichkeitsveränderung beschreibt, stört dabei ebenfalls nur marginal, da auch die übrigen Fragestellungen des Buches, Freundschaft, Korruption, Treue und Liebe weite Räume eröffnen.

Eoin Colfer: Die Rache

Golfers Fowl-Saga geht weiter. Wie stehts überaus gut geschrieben, und auch die Übersetzung kann sich sehen lassen. Es ist wirklich eine angenehme Ausnahme, qualitativ dermaßen eloquente Lektüre im Bereich Pseudokinderfantasy (denn natürlich sind sehr, sehr viele Leser Golfers erwachsen) zu lesen.
Bleibt eigentlich nur, noch in der Story zu wühlen. Der Plot ist solide, wobei die Überraschungen diesmal größtenteils leider ausbleiben. Das Universum, das Golfer gestaltet hat, bleibt bunt und vielschichtig, erfährt allerdings keine größeren Erweiterungen. Einerseits natürlich schade. Andererseits ist auch dies ein Beweis für die geradezu professionelle Zurückhaltung, die angenehm unaufdringliche Eleganz des Autors. Als Faulheit will ich ihm diese Tatsache jedenfalls nur ungern auslegen. Etwas schade ist, dass die Geschichte recht umfangreich und fulminant-verschwörerisch loslegt, um dann in eine doch etwas schnelle Auflösung zu münden. Ein wenig mehr Schwierigkeiten für die Protagonisten, sich aus der unheilvollen Lage, in die sie Miss Opal gebracht hat, herauszulavieren, hätte ich mir schon gewünscht.
Eine weitere Tatsache enttäuscht den Fan ein wenig: Artemis scheint sich tatsächlich zum Besseren zu mausern. Eine überaus langweilige und blöde Entwicklung. Oder sind die Fortsetzungen von Fortsetzungen einfach immer etwas langweiliger und enttäuschender als die ersten ein, zwei Bände? Ich glaube eigentlich, das muss nicht so sein und freue mich schon jetzt auf den neuen Harry Potter. Oder anders gesagt: Golfer verpasst leider die Gelegenheit, sein Universum auf die Weise anzureichern, wie Miss Rowling das getan hat. Die Abenteuer von Artemis und seinen Freunden bilden zwar eine Art Story, bleiben dabei allerdings linear, anstatt einer ringartigen Ausdehnung. Dies mag man unter oben dargestellter Zurückhaltung subsumieren. Man könnte also argumentieren, dass Golfers Verzicht auf ein Epos zugunsten einfach konsumierbarer Action-Romane auch eine angenehm unaufgeregte Nichterfüllung der von Fantasy-Literatur erwarteten Klischees ist. Dennoch bleibt abzuwarten, wie viele Bände sich dann noch füllen lassen, bevor eine gewisse Ermüdung des Themas eintritt.

Marcus Hammerschmitt: Instant Nirvana

Marcus Hammerschmitt beginnt sein kleines Traktat gegen die Esoterik mit der Feststellung, es sei eigentlich alles gegen die Esoterik gesagt, von Adorno nämlich. Nach dieser Bemerkung erwartet man eigentlich so etwas wie ein „aber“. Kommt aber nicht. Hammerschmitt erklärt dann lieber sinngemäß, dass die Esoteriker zu dumm seien, Adorno zu verstehen, und er sich deshalb überlegt habe, lieber einen schlechteren Aufsatz wider die Esoterik zu schreiben, den könnten die Esorteriker dann wenigstens verstehen.
Das ist dann doch eine zweifelhafte Argumentationskette.
Der Zweifel wird dann gleich bestätigt. Denn: Eine schlechte Argumentation ist für niemanden einfach zu verstehen, vielmehr für jeden Leser eine Qual. Das zeigt der Autor schon im Vorwort, es wird dann allerdings zu keinem Zeitpunkt besser. Das logische Niveau dieses Büchleins bleibt im besten Fall dürftig. Der Autor verwechselt leider eindeutig eine „flott geschriebene Provokation“, oder was auch immer er sich da vorgestellt hat, mit einer argumentativ schwachen und daher mit Vorurteilen und Phrasen aufgepoppten Kleinigkeit.

Dienstag, 3. April 2007

Matias Faldbakken: Macht und Rebel

(4)

Man sollte ja misstrauisch sein bei Büchern, die auf dem Klappentext nur mit dem Lob für das Vorgänger-Buch werben. Und ich war in der Tat misstrauisch. Zurecht.
CHC war ein ganz nettes Buch. Anarchisch, lustig, wenn auch keine "Menschenverachtungsbibel", wie es die FAZ so schön ausgedrückt hat. Es hatte allerdings auch einige Probleme. Die Skizzenhaftigkeit der Charaktere, das ständige Gefühl, das Buch könne vor Ideen kaum laufen, dieses leicht hektisch-Überzeugenwollende. Es war ein bißchen zu - kreativ.

Umso folgerichtiger, dass Faldbakken im nächsten Roman eben jene kreative Branche auf´s Korn nimmt, garniert mit ein bißchen verschämt-verschmustem Kinderpornographie-Nazi-Quark, wegen der Rezensionen, man versteht. Ja, ansonsten gilt im Grunde das oben gesagte, nur dass jetzt leider nix mehr neu ist, sondern es ist vor allem zu kreativ. Meiner höchstpersönlichen Meinung nach fehlen Faldbakken einfach ein, zwei Eigenschafen, die man eigentlich benötigt, um ein Buch zu schreiben (wenn man nicht eben schon ein kreativ-Promi ist). Z.B die Fähigkeit, einen Plot zu entwickeln oder Charaktere, die mal nicht wie der unvermeidliche Houellebecq auf billigem Kokain wirken.

Ein interessantes Thema, das angerissen wird, ist die Problematik des Dagegenseins in all seinen Schattierungen. Auch ein paar der hingerotzten Erkenntnisse hätte man ausbauen können.

Naja, egal, insgesamt ist es ein wenig sympathisches Buch für Werber oder Künstler oder solche, die mal welche werden wollen. Auch das könnte man noch lustig finden, da sich das Buch ja paradoxer Weise gegen eben jene Leute richtet. Es bleibt jedoch der Beigeschmack, dass dieses Paradoxon nicht wirklich vom Autor intendiert war.

Edit: Hervorzuheben wäre allerdings noch die ganz fantastische Übersetzung des Paul-Celan-Preisträgers Hinrich Schmidt-Henkel, der hier sicher ganz großes Tennis abliefert, indem er dieses Underground-Gewäsch in eine ansprechende und angenehm unprätenziöse Sprache zu kleiden verstand, die in nur in den Momenten gewollt oder verschliert klingt, in denen der Autor das auch so intendiert hat.